Samstag, 30. Juli 2011

Fünf Minuten vor Zwölf - Erhaltungszucht der DLH

Bär von der Wassermühle, Original-DLH-Kater

Die meisten Menschen werden mit dem Begriff "Erhaltungszucht" am ehesten vielleicht die Zucht bedrohter Nutztierrassen oder auch Zuchtprogramme in Zoos verbinden. Welch ein Aufwand wird dort betrieben, um die letzten kurz vor dem Aussterben stehenden Tigerarten, wie z.B. den Amuntiger, zu retten? Selbst Hunderassen, wie der Deutsche Pinscher oder verschiedene Spitzarten, werden von der GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen) als schützenswert und förderungswürdig bewertet.

Auf der anderen Seite stehen Rückzüchtungsprogramme, wie das des Heckrindes, mit dem man versucht aus unterschiedlichsten Ausgangsrassen eine Rinderrasse zu züchten, die phänotypisch dem Urahn der Hausrinder, dem Auerochsen, entspricht. Rückzüchtung wird von Wissenschaftlern im Sinne von Arterhaltung als nicht sinnvoll erachtet und hat bisher noch in keinem Fall zu einem 100% befriedigenden Ergebnis geführt, weil der gewünschte Phänotyp eben doch nicht wirklich erreicht wird. Eine Art, die einmal völlig ausgestorben ist, wird dies auch für alle Zeiten bleiben.

Was aber sind denn nun die Unterschiede zwischen Erhaltungszucht und Rückzucht?

A.K. Engeling schreibt in ihrem Buch "Rückzüchtung und Erhaltungszüchtung von Nutztierrassen" (ISBN 978-3-640-12694-1) zu diesem Thema:

"Bei der Rückzüchtungsarbeit geht es vielmehr um die Erzeugung eines Tieres, welches den gleichen Phänotyp aufweist, wie eine bereits gänzlich ausgestorbene Rasse. Der Genotyp einer einmal ausgestorbenen Rasse ist unwiederbringlich verloren und nicht wieder zu rekonstruieren. Bei einer Rückzüchtung darf deshalb nicht der Fehler begangen werden, diese Neuzüchtung mit dem Namen der ausgestorbenen Rasse zu belegen. Solche Rückzüchtungen sollten also entweder eine gänzlich neue Bezeichnung bekommen oder aber den Zusatz "Rückzüchtung" in ihrem Namen tragen. Die Neuzüchtungen gleichen der ausgestorbenen Rassen auch äußerlich meist nicht hundertprozentig."

Dies trifft z.B auf die Zucht der German Angora zu, die nach alten Gemälden durch geeignete Foundationtiere rekonstruiert werden soll. Der dabei angestrebte Typ ist ähnlich dem der DLH, aber es handelt sich bei der German Angora um eine Rückzüchtung, da die Zucht ausschließlich auf phänotypisch passenden Tieren beruht, weshalb auch der neue Rassenamen seine Berechtigung hat.

Im Unterschied dazu wird von der Autorin Erhaltungszüchtung folgendermaßen charakterisiert: "Das Ziel der Erhaltungszucht ist es, die noch erhaltenen Bestände einer gefährdeten Rasse durch entsprechende züchterische Eingriffe so lange zu unterstützen, bis sich eine ausreichend breite genetische Basis entwickelt hat, dass diese Population ohne weitere Maßnahme des Menschen bestehen bleibt. Durch Einkreuzung verschiedener anderer Rassen wird bspw. der Inzucht entgegengewirkt, ohne dass der Genpool der Ausgangsrasse verloren geht. Sowohl der Genotyp als auch der Phänotyp der Ausgangsrasse sollen bei der Erhaltungszucht erhalten bleiben. Bei den genetischen Grundlagen, auf die bei einer Erhaltungszucht zurückgegriffen wird, handelt es sich jedoch in seltensten Fällen um noch 100% reinrassige Tiere. Oft sind zu Beginn eines Erhaltungszuchtprogrammes nur noch einzelne Tiere mit einem Blutanteil von 25-50% vorhanden."

Original DLH Bömmel


Was heißt das nun in Bezug auf die DLH? Auch die DLH-Zucht wäre eine Rückzüchtung geblieben, wenn es nicht gelungen wäre, von den letzten noch fruchtbaren Katzen von Frau Aschemeier Nachkommen zu erhalten. Sie sind derzeit die einzigen bekannten Katzen, die auf Deutsch Langhaarkatzen zu Zeiten Schwangarts zurückgehen und nicht nur phänotypisch, sondern auch genotypisch diese alte Rasse verkörpern.


Wie schon Frau Engeling richtig bemerkte, ist eine ausschließliche Zucht mit extrem wenigen reinrassigen Ausgangstieren nicht möglich, weshalb durch Einkreuzen von Katzen, die der DLH phänotypisch möglichst nahe kommen, zu große Inzucht verhindert wird. Auch bei einer Erhaltungszucht sind also Foundationtiere nötig, um eine breite genetische Basis zum Erhalt der Rasse zu gewährleisten.

Der Unterschied zwischen der DLH-Erhaltungszucht und einer Rückzüchtung besteht also darin, dass bei einer Erhaltungszucht noch eine gewisse Anzahl an Original-DLH vorhanden ist, auf deren genetischer Grundlage eine neue Population aufgebaut wird. Diese Original-DLH weisen sowohl den ursprünglichen DLH-Genotyp als auch den entsprechenden Phänotyp auf, den Prof. Schwangart bereits 1929 beschrieben hatte. Im Gegensatz dazu wird bei der Rückzüchtung lediglich mit Katzen gearbeitet, die in irgendeiner Weise auf die ausgestorbene Rasse zurückgehen oder auch nur ähnliche äußere Merkmale aufweisen wie diese, um einen möglichst ähnlichen Phänotyp wiederzuerlangen.


Nidi von Germangora (Bär v.d. Wassermühle x Cosma Shiva v. Germangora)

Dies verdeutlicht sicher die Bedeutung, die den Nachkommen des letzten potenten Original-DLH-Katers "Bär von der Wassermühle" zukommt. Die folgenden Generationen werden zeigen, wie gut es den DLH-Züchtern gelingt, eine genetisch vielfältige Population zu schaffen, die sowohl genotypisch als auch phänotypisch echte Deutsch Langhaarkatzen sind.

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